Den Anfang macht das Aleph-Bet

Um die Sprache zu erlernen, gibt es mehrere Wege. Man kann den Menschen das Gesagte nachsprechen. Man kann sich Worte in deutscher Lautschrift notieren, um sie zu erlernen. Aber beide Wege liegen mir nicht besonders gut.

Ich benötige zum Erlernen einer neuen Sprache die Schriftzeichen. Ich begreife dann, zusammen mit der exakten Aussprache, wie das Wort klingen muss und kann es abspeichern. Um ein Wort exakt aussprechen zu können, muss ich mir zunächst das Sprachgerüst aneignen. Also habe ich mich mit dem Alphabet – dem „Aleph-Bet“ (אלף בית) auseinandergesetzt.

Wie ich das gemacht habe? Nicht nach Lehrbuch, sondern spielerisch wie ein Kind. Ich dachte mir, dass Kinder nicht nach einem Schema ihre Muttersprache erlernen, sondern spontan durch Hören, Nachplappern und mit Spielzeug… Mir erschien das angenehmer und als ein ganz natürlicher Weg, um Hebräisch zu erlernen. Keine Tabellen, keine Regeln. Stattdessen Lernen wie ein Kind. Ohne Zeitdruck und Zielvorgaben. Also habe ich mir zunächst einfach die unbekannten Schriftzeichen angeschaut und gestaunt. So anders kann man schreiben! Was, es werden keine Vokale geschrieben? Interessant! In Tel Aviv und Haifa war ich in Filialen der Buchhandlung STEIMATZKY. Die Buchhandelskette ist sehr bekannt in Israel. Ich staunte über all die fremd erscheinenden Bucheinbände und schlenderte dann in die Abteilung mit Kinderbüchern. Dort fand ich ganz einfache Bücher, ohne viel Text. Ich blätterte in den kleinen, sehr liebevoll gestalteten Pappbüchern und kaufte mir ein paar Exemplare. Der Koffer war auf der Rückreise nach Deutschland entsprechend schwerer… Zu Hause stöberte ich weiter bei Steimatzky, diesmal online. Das Ganze war schwierig, weil ich versuchte, mir die Website in Englisch anzeigen zu lassen, was nicht immer gelang. Ich fand weitere Kinderbücher unterschiedlicher Schweregrade. Darüber hinaus entdeckte ich das Spiel Bananagrams mit hebräischen Buchstaben und ein Alphabet aus Holzklötzchen. Ich machte meine Bestellungen und freute mich auf Lieferungen aus Israel. Alles traf nach mehreren Wochen ein, Manches musste ich wegen des höheren Bestellwertes beim Zollamt abholen. Dort staunte der Beamte nicht schlecht, als er die exotischen Bücher sah. ..

Nun konnte es losgehen. Hebräisch ist eine Quadratschrift. Die meisten Schriftzeichen füllen den Raum eines Quadrats aus. Sich bei ersten Schreibübungen also ein kariertes Heft zurechtzulegen, kann hilfreich sein. Zunächst versuchte ich mich im Schreiben der gedruckten Buchstaben. So, wie die Buchstaben geschrieben werden, eignet sich zum korrekten Erlernen eine Schreibfeder mit breiter Spitze. Da ich ein Faible für alte Schreibgeräte und Kalligraphie habe, holte ich eine breite Schreibfeder und ein Glas schwarzer Tinte hervor und legte los. Erst einmal ging es darum, überhaupt ein Gefühl für die Schrift zu entwickeln. Danach habe ich mir jeden einzelnen Druckbuchstaben des Alphabets auf ein separates Kärtchen gemalt. Ich sage bewusst „gemalt“, nicht geschrieben. Das Schreiben kommt später, wenn man weiß, was man tut… Ich habe mir also die ersten Karteikarten angefertigt. Und damit ging es los. Ich habe die Buchstaben wie Vokabeln auswendig gelernt. Die Aussprache der Buchstaben schrieb ich auf die Rückseite meiner Kärtchen. Um die Laute zu erlernen hilft es sehr, bei Youtube vorbeizuschauen. Dort habe ich ein Lied gefunden, in dem das Alphabet aufgesagt wird. Im Deutschen würden wir es ein ABC-Lied nennen. Im melodischen Singen bin ich zwar nicht so gut, aber der Rhythmus des Liedes half mir, das Alphabet in gedankliche Blöcke zu teilen und Schritt für Schritt auswendig aufsagen zu können. Es dauerte recht lange, bis ich es konnte. Aber dann war es wie ein Quantensprung. Der Knoten war geplatzt.

Ich übte mich weiter im Schreiben der Buchstaben, korrigierte immer wieder meine alten Kärtchen, bis meine Buchstaben so aussahen, wie sie aussehen müssen… Dann begann ich damit, erste Vokabeln und kurze Formeln zu sammeln, die mich interessierten. Ich schrieb sie aus Reiseführern, schaute im Internet nach und hielt sie wieder auf Karteikärtchen fest. Danach lernte ich sie – mit Hilfe von Google Translate und Youtube – auswendig. Die Reiseführer werde ich wohl noch einmal gesondert auflisten.

Schon bald hatte ich in etwa 100 Vokabeln gelernt. Sie umfassten Themen, die mir wichtig waren: Grußformeln wie Guten Morgen, Auf Wiedersehen, Bitte und Danke, Entschuldigung… Farben und Richtungsangaben wie links, rechts oder geradeaus… Auch Worte wie Hilfe, Bahnsteig, Zug, Flughafen, oder Straße gehörten dazu. Ich dachte einfach an Situationen, in denen ich mich im nächsten Urlaub zurechtfinden wollte. Ich wollte Straßennamen lesen können, nach dem Weg fragen können, einfache Dinge benennen können, grüßen können… Ich orientierte mich auch teilweise an einem Bildwörterbuch für Kinder, das den ersten Wortschatz im Umfang von 1000 Wörtern vermittelt. Es ist zwar in Englisch, aber mit einigen Vorkenntnissen ist das kein Hindernis. Auf diese Weise konnte ich sogar mein Englisch auffrischen!

Und dann brauchte ich eine Lernpause. Mein Gehirn war voller neuer Begriffe…

Der nächste Schritt bestand darin, mich im Lesen zu üben. Hebräisch unterscheidet sich vom Deutschen darin, dass nicht alle Buchstaben geschrieben werden. Im Deutschen kann man ein Wort, lesen, bevor man überhaupt weiß, was es heißt. Alles Nötige zur richtigen Aussprache steht da. Im Hebräischen ist das anders. Man muss das Wort kennen, um es aussprechen zu können. In Büchern für kleine Kinder sind die Texte mit Schriftzeichen versehen, die die fehlenden Vokale markieren. Die Zeichen werden Nikkud genannt. Sie bestehen aus Punkten und Strichen. Es gibt eine große Bandbreite an Kombinationen dieser Zeichen. Es ist also wichtig, diese Zeichen zu kennen. Wenn man sie verinnerlicht hat – und ein paar weitere Ausspracheregeln kennt – kann man den Text eines Kinderbuchs lesen, auch wenn man seinen Inhalt nicht versteht. Es ging mir auch gar nicht darum, alles zu verstehen. Ich habe mich einfach in der Aussprache üben wollen. Ich habe laut gelesen und ein Gefühl für den Klang der Sprache bekommen. Dabei kann übrigens auch helfen, israelische Radiosender einzuschalten und Liedern auf Ivrit zu lauschen oder einfach die Nachrichten nebenbei zu hören. Man entwickelt ein Gespür, wie die Laute klingen müssen, wie die Worte betont werden. Zurück zum Lesen: Ich las laut und gaaanz langsam erste Sätze. Was für ein gutes Gefühl! Sehr empfehlen kann ich hierbei ein paar Bücher, die einem beim Erlernen der Vokalzeichen und der übrigen Ausspracheregeln helfen.

Liste folgt…

Dann brauchte ich wieder eine Lernpause…

Ich hatte mir zwar bereits eine Menge selbst beigebracht, fühlte mich aber unsicher. Sprach ich wirklich alles richtig aus? Würde mich ein Israeli verstehen? Und würde es nicht Freude machen, erste kleine Gespräche mit anderen zu führen? Was wäre hierfür besser geeignet als ein Sprachkurs mit vielen anderen, die wie ich noch viele Fehler machen?

Ich meldete mich für einen Sprachkurs an. Für Anfänger ohne Vorkenntnisse. Sicher ist sicher… Der Kurs warf uns alle ins kalte Wasser. Gleich in der ersten Stunde wurden die ersten Buchstaben gelehrt. Viele waren überfordert. Glücklicherweise hatte ich durch mein Selbststudium Vorkenntnisse. Für mich neu war aber die Schreibschrift. Bisher hatte ich diese ignoriert. Straßenschilder, Anzeigen auf Bahnhöfen, Ladenschilder, Speisekarten und Bücher sind in der Regel in Druckbuchstaben gehalten. Ich dachte, ich bräuchte sie vorerst nicht. Doch im Sprachkurs wurden wir angehalten, so schnell wie möglich alles in Schreibschrift niederzuschreiben. Also lernte ich in kürzester Zeit, die Buchstaben kursiv zu schreiben. Was für ein Erfolgserlebnis!

Wir lernten nach dem Lehrplan eines Buches, das nach meinen Informationen auch an der Universität in Jerusalem zum Einsatz kommt, um fremdsprachigen Studenten Ivrit beizubringen. Es heißt „Iwrit min haHatchala. Hebrew from Scratch. Part 1“ – „Iwrit min haHatchala“ schreibt sich auf Ivrit: עברית מן ההתחלה Das Buch gibt es über diverse Buchhandlungen, über Amazon oder auch gebraucht über Ebay und Kleinanzeigen. Die Preise variieren stark. Theoretisch gibt es auch eine CD mit Sprachdateien, so dass man sich viele Textpassagen anhören kann. Aber die Audiodateien sind schwer erhältlich. Was Lehrbücher betrifft, werde ich an anderer Stelle noch eine Übersicht mit persönlichen Anmerkungen erstellen.

In den ersten Lektionen werden die einzelnen Buchstaben des Alphabets vorgestellt. Mit jedem Kapitel kommen neue Buchstaben hinzu. Sie werden dabei sowohl in gedruckter als auch in kursiver Art gelehrt. Gleich zu Beginn werden erste Worte und Sätze gebildet, fast so wie in einer ABC-Fibel für Kinder. Wichtig ist, dass man von Anfang an die Vokabeln lernt. Und dafür braucht es Zeit. Wir hatten jede Woche 1,5 Stunden Unterricht. Die Lehrzeit pro Woche reicht gerade, um das Erlernte von der vorigen Sitzung kurz zu wiederholen und den Lehrstoff für die aktuelle Stunde durchzugehen. Die Hauptarbeit, das Rekapitulieren des Lehrstoffs, das Auswendiglernen und das Anwenden des Gelernten muss man zu Hause leisten. Und dafür habe ich viel Zeit benötigt. Ich habe während des Kurses fast jeden Tag mehrere Stunden gelernt. Dazu gehörte nicht nur das Auswendiglernen, sondern auch lautes Lesen der Vokabeln und das Abarbeiten der Übungen im Lehrbuch. Um im Unterricht gut folgen zu können und keinen negativen Stress aufkommen zu lassen, der mir die Lernfreude mindern könnte, habe ich mir sogar den Lehrstoff der jeweils kommenden Lehrstunde vorab angeschaut. Das hat sich ausgezahlt. Ich war immer mit Freude dabei, kam gut mit und hatte viele Erfolgserlebnisse.

Nach dem Kurs folgte die Sommerpause. Nun heißt es, das Erlernte zu wiederholen, bis der nächste Kurs beginnt. Ich freue mich schon darauf, meine Kenntnisse zu erweitern.

Übrigens fühlt sich die Sprache gar nicht so fremd an. Ich finde, dass die Aussprache dem Deutschen ähnelt. Die Worte werden sehr „gerade“ und klar ausgesprochen. Alle Laute, die es gibt, kommen im Grunde auch im Deutschen vor, z.B. das „ch“ wie in „Sache“. Nur in einer Hinsicht komme ich immer mal leicht durcheinander. Da ich früher in der Schule Russisch lernen musste (in der ehemalischen DDR ein Pflichtfach), beherrsche ich das kyrillische Alphabet. Deshalb assoziiere ich gelegentlich mit einigen Buchstaben russische Buchstaben. Auch einige Worte ähneln russischen Vokabeln im Klang. Das ist manchmal verwirrend.

Nach dem ersten Sprachkurs, den ich besucht habe, machte ich endlich wieder Urlaub in Israel. Durch die Covid-Pandemie war es mir leider nicht eher möglich. Wie wundervoll war es, auf Ivrit verstanden zu werden, endlich im Restaurant teilweise die Karte lesen zu können und etwas bestellen zu können. Es steigert meine Vorfreude auf den weiterführenden Sprachkurs und ich frage mich, was ich vielleicht in einem Jahr schon alles auf Ivrit sagen und verstehen kann. Aber ich möchte mir keinen Druck machen. Wenn ich zwischendurch pausiere, dann ist das auch o.k. Schließlich ist dies meine erste Sprache, die ich jenseits meiner Schuljahre nach über 25 Jahren erlerne. Ich habe sie mir selbst ausgewählt und lerne, ganz wie es mir gefällt. Ich denke, das ist die beste und schönste Art, sich einer anderen Kultur zu nähern. Und wenn ich einen Kurs wiederholen möchte, dann mach ich das eben. Mal schauen…

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