Am 3. Mai fand in Berlin am Wittenbergplatz der Israeltag statt. Schon beim Verlassen des Bahnhofs Wittenbergplatz sah ich die Absperrungen in Form weißer Tuchwände. Sie sollten wohl zur Sicherheit der Teilnehmer beitragen. Der Sichtschutz baute aber auch eine Barriere zur Bevölkerung auf, die nicht sehen konnte, was dahinter stattfand. Der Schutz aller, die Israel mögen und unterstützen und aller jüdischen Bürger ist in diesen Tagen unerlässlich, leider. Aber ich hätte mir auch gewünscht, dass der Israeltag nicht nur eine Insider-Veranstaltung ist, sondern von vielen Menschen wahrgenommen wird, die damit bislang keine Berührung hatten. Gerade in diesen Zeiten, in denen die Hamas-Propaganda, die allgemein hofierte Israel- und Judenfeindlichkeit um sich greifen, wäre es wichtig, Informationsveranstaltungen zu Israel und jüdischem Leben sichtbar zu machen. Aber der Schutz der Teilnehmer hat selbstverständlich Vorrang.

Also ging ich auf die Sichtschutzwände zu. Ich sah dabei auch viel Polizei, Streifenwagen und abgedeckte Mülleimer. Traurig und erschreckend, dass all diese Maßnahmen erforderlich sind, um Menschen zu schützen, die an dieser Veranstaltung teilnehmen wollen.
Was gab es dort? Auf einer Bühne spielte eine kleine Band Lieder auf Ivrit, dem modernen Hebräisch. Selbstverständlich wurde auch „Am Israel Chai“ und die Nationalhymne „Die Hoffnung“ (Hatikwa) gespielt. Diese Lieder gefallen mir nicht nur in musikalischem Sinne, weil sie sehr eingängig sind, sondern sie berühren mich auch. Sie besingen die Sehnsucht nach Israel, dem Land der Vorväter, und den Wunsch und die Hoffnung, dass das jüdische Volk lebt und alles überdauert, was auch immer geschehen mag. Gerade seit dem Pogrom vom 7. Oktober 2023, der eine zeitliche Zäsur darstellt, das jüdische Leben in ein Vor und Danach aufteilt, haben diese Lieder besondere Bedeutung. Auch mich bewegen sie tief. Ich dachte bis zum 7.10.23, dass jüdisches Leben in Deutschland etwas beinahe ganz Normales in der Wahrnehmung der Menschen geworden wäre. Ich glaubte, dass nun endlich bald 80 Jahre nach Kriegsende Normalität im Entstehen sei. Ich hörte mittlerweile recht häufig Ivrit auf Berlins Straßen, wenn sich israelische Touristen auf dem Alexanderplatz oder in der Tram unterhielten. Ich erlebte Veranstaltungen auf der Straße, sah jüdische Restaurants… Es war spannend und wirkte so befreit. Aber offenbar war dem nicht so. Es lauerte etwas zutiefst Böses in all der Gelassenheit. Wenn ich nun Touristen in der U-Bahn Ivrit sprechen höre, mache ich mir sofort Sorgen, dass ihnen die Lage hier nicht bewusst sein könnte und ihnen etwas geschieht. Und wenn ich zum wöchentlichen Sprachkurs fahre, schaue ich scheu um mich, ob jemand meine Vokabelkärtchen, die ich während der einstündigen Fahrt durchgehe, lesen könnte. Von einer Kursteilnehmerin hatte ich bereits erfahren, dass sie unterwegs als „Judensau“ angepöbelt wurde. Ich sah sie danach nur noch einmal wieder… Warum kann es nicht ganz normal sein, zum Ivrit-Sprachkurs zu gehen, einfach so, als würde man Italienisch oder Französisch lernen? Ich dachte, Deutschland wäre auf einem guten Weg, aber jetzt sieht es so aus, dass dieses Land in die Vergangenheit zurückgefallen ist oder dass ich schlicht nicht erkannt habe, dass es sich nie daraus erhoben hat.
Aber ich bin abgeschweift. Auf dem Israeltag gab es nicht nur Musik, sondern auch leckeres Essen. Kinder tobten herum, die Erwachsenen saßen an Tischen oder schlenderten an den Infoständen vorbei, an denen sich Einrichtungen und Organisationen vorstellten. Dazu zählten u.a. das Moses Mendelssohn Gymnasium, das Technion in Haifa (Israel Institute of Technology in Haifa) – die älteste Universität Israels -, der Jüdische Nationalfonds, die Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e.V., die Deutsch-Israelische Gesellschaft Berlin Brandenburg e.V. und ConAct-Koordinierungszentrum (Deutsch-Israelischer Jugendaustausch).









Ich führte nette, emotionale Gespräche, nahm Broschüren mit, kaufte ein Buch, spendete und schrieb einen Gruß an die Geiseln… Es war fröhlich und traurig zugleich und es tat gut, mal mit Gleichgesinnten zusammen zu sein.
Anschließend bummelte ich noch über den Ku’damm und fuhr nach Hause…